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Barbara Rochester


Barbara Rochester, geb. Anczykowski, wurde als achtes von neun Kindern 1944 in Ostpreußen geboren. 
In den Wirren des Zweiten Weltkriegs floh die Familie vor der russischen Invasion und schloss sich den zahllosen Vertriebenen in Richtung Westdeutschland an. Nach Jahren in ihrer Heimatprovinz in Polen und in Flüchtlingslagern untergekommen, konnte sich die Familie schließlich in Münster in Nordrhein-Westfalen ansiedeln. Dort lernte die 19-jährige Barbara den britischen Offizier Ralph Rochester kennen. Sie heirateten 1964 im St. Paulus Dom in Münster und zogen nach England, wo sie sich in dem kleinen Dorf Lympstone, East Devon, an der Mündung des Flusses Exe gelegen, niederließen. Dort wuchsen auch ihre vier Kinder Julia, Richard, Kate und Sophie auf. 
Barbara erlernte das Schneiderhandwerk, bildete sich künstlerisch autodidaktisch in Abendkursen fort und studierte Bücher und Kataloge über Kunst. Vor allem galt ihr Interesse der mittelalterlichen Kunst sowie den Farben der Tapisserien. Fortan begann sie, zunächst nur für ihr Heim bestimmt, Schränke und Keramiken zu bemalen, neben den Kleidern auch Gegenstände aus Stoffen und Textilien herzustellen. 
Die ernsthafte Hinwendung zur Malerei in den 1980er Jahren war dann ein folgerichtiger Schritt. Besonderes Augenmerk legte sie dabei auf Kinderporträts, Landschaften und Stillleben, wobei besonders ihre Liebe zu Geweben, Stoffen und Mustern offensichtlich zum Tragen kamen. Die besonders lebendigen Porträts ihrer eigenen sowie auch anderer Kinder wurden rasch einem breiteren Publikum bekannt, sodass es auch gelegentlich zu Auftragsarbeiten kam. Manche Porträts, wie z.B. das ihrer Mitschülerin Daisy, hatte sie bereits in Münster skizziert und erst später in Ölmalerei umgesetzt. 
Unter den verschiedenen Sujets der Malerei gehört das Porträt sicherlich zu den schwierigsten. Von jeher übten Porträts eine besondere Faszination aus. Wurde doch Individualität und Persönlichkeit der Porträtierten in ein neues Erscheinungsbild umgesetzt. Hier gilt es nun, dass die Künstlerin das Menschenbild nicht etwa karikierend wiedergibt, sondern in Wirkung und Geltung der gegenwärtigen Seelenbefindlichkeit gerecht wird. Ein schwieriges Unterfangen, was Barbara Rochester meisterlich gelingt, wenn man als Betrachter die Gelegenheit hat zwischen den Kinderbildnissen der herangewachsenen Modelle ihrer Töchter und Enkel seine Augen schweifen zu lassen. Es fällt nicht besonders schwer die Porträts den jeweiligen Vorbildern zuzuordnen. 
Hier liegt auch die besondere Leistung einer künstlerischen und handwerklichen Meisterschaft. Mit einem feinen melancholischen Blick setzt die Künstlerin ihre Porträts vor einem farblich nuancierten einheitlichen Hintergrund, der, das Ganze belebend, mit der jeweiligen Farbgebung der Kleidung korrespondiert. Denn eine Idealisierung der individuellen Natur der Modelle zu vermeiden, ist eine Sache. Eine andere ist, die natürliche Ähnlichkeit zu treffen. 
Treffsicherheit gelingt Barbara Rochester auch in der Landschaftsmalerei. Hier lassen sich etwa drei Bereiche erfassen. Im Gegensatz zu dem sich im frühen 19. Jahrhundert entwickelnden kleinen Hafen von Lympstone, haben es der Künstlerin besonders die gefälligen Hügel der zum Teil landwirtschaftlich geprägten Gegend angetan. Reizvoll werden hier die kompakten Felder mit ihren schmalen Wegen in den wechselnden Farben der Jahreszeiten wiedergegeben, wobei manchmal auch die hilfreiche Erinnerungsstütze der Fotografie Verwendung fand. Während die künstlerische Auffassung der Hügellandschaften in ihrem wogenden Duktus eher etwas Naives zu haben scheint, wirkt die Wiedergabe der Dachlandschaften der Häuser im Dorf künstlerisch umso authentischer. 
Ähnliches gilt auch für den Komplex der Bilder aus dem südfranzösischen Menton an der Côte d’Azur mit dem Hafen, der malerischen Altstadt und ihrer barocken Kathedrale Saint-Michel von 1675, oder auch den abgezirkelten Lavendelfeldern und ungeordneten Streuobstwiesen. 
In ihren Obst- und Blumenstillleben strukturiert sie die Objekte vor einem technisch besonderen Hintergrund, der wie die Textur mittelalterlicher Tapisserien anmutet. Das erreicht sie, indem sie in die aufgetragenen Farbtöne mit einem stumpfen Stiel bestimmte Muster rapportmäßig in den Farbauftrag einritzt. Dadurch entsteht ein gewisser haptischer Eindruck.
Vor diesem Hintergrund entfaltet die Künstlerin ihr ganzes Können, ob es sich um Granatäpfel oder Pflaumen in einer Schale handelt, um das Farbenspiel der Hortensie, die Duftwicke, die Kornblume, die wegen der Farbgebung auch Zyane genannt wird, das triviale Hahnenfußgewächs oder den Blauen Hebes, auch ‚Blue Clouds‘ genannt, einer besonders robusten immergrünen Sorte in Großbritannien. Sie alle werden in Vasen oder Steinkrügen präsentiert, deren Grauton zwischen Hintergrund und vordergründiger Pflanzenpracht vermittelt.
Seit 2003 stellte die Künstlerin mit Hilfe der noch recht jungen Einrichtung South West Academy of Fine and Applied Arts (gegründet 2000) aus, zu dessen Mitglied sie 2006 erhoben wurde. Barbara Rochester starb im Alter von 69 Jahren 2013.
In zahlreichen Ausstellungen, vornehmlich in East Devon, wurden ihre Werke gezeigt, mit denen sie viele Preise und Auszeichnungen gewann. 2003 im International Children’s Centre in London, 2009 im Royal Clarence Hotel on Exeter’s Cathedral Green, 2010 im Kennaway House in Sidmouth. Die Galerie ihres Bruders Paul Anczykowski zeigt in Barbaras Heimatstadt Münster noch bis zum 28. Dezember 2013 ihre Bilder.

Michael Wessing

 

Ausstellungen:

23.11.2013 bis zum 28.12.2013

Zusammen mit: András Siflis

Barbara Rochester • „Kinder meiner Schwester“